Am 22. März 2016 hat ein Aktionsbündnis bestehend aus über einem Dutzend Organisationen und politische Parteien einstimmig beschlossen, gegen das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) das Referendum zu ergreifen. Das BÜPF hat am 18. März die Schlussabstimmung in den Räten passiert und enthält eine ganze Reihe von Bestimmungen, welche Grundrechte und Freiheitsrechte einschränken. Das BÜPF wird voraussichtlich am 29. März 2016 im Bundesblatt publiziert, womit die Frist für die Unterschriftensammlung beginnt. Sie endet 100 Tage später, am 7. Juli 2016.
Folgende Parteien unterstützen das Referendum und haben sich verpflichtet, eine ihrer Stärke entsprechende Anzahl Unterschriften beizutragen:
Dazu kommen folgende Organisationen der Zivilgesellschaft:
Eine ganze Reihe von weiteren Parteien, Organisationen und Verbänden haben ohne zahlenmässige
Verpflichtung dem Referendumskomitee logistische Dienstleistungen oder Finanzmittel für die erfolgreiche Unterschriftensammlung zugesagt. Das Referendumskomitee wird im April seine Argumente gegen die Gesetzesrevision im Rahmen einer Medienmitteilung präsentieren. Unverändert sind die wichtigsten Gründe, welche gegen das BÜPF sprechen:
Bunte Demo gegen den Überwachungsstaat auf dem Bundesplatz
400 bis 700 Personen demonstrierten gestern in Bern für das Grundrecht auf Privatsphäre, für Freiheit und Rechtsstaat. Redner verschiedener politischer Couleur sowie aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft betonten, dass das revidierte Überwachungsgesetz BÜPF nicht mit diesen Werten vereinbar ist.
Die Aussicht auf einen massiven Ausbau des Überwachungsstaats hat die Internet-Gemeinde und viele Junge mobilisiert. Für viele von ihnen war es die erste Teilnahme an einer Demonstration. Sie haben damit ihre Empörung über Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, IMSI-Catcher und die Ausweitung der Mitwirkungspflichten deutlich zum Ausdruck gebracht.
Jean-Marc Hensch (SWICO) begrüsste die Teilnehmer mit «Liebe potenzielle Kriminelle, liebe mögliche Verdächtige» und spielte damit auf die präventive Speicherung der Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung an. Auch Volker Birk vom Chaos Computer Club meinte, dass es nicht reicht, die die Verlängerung der Vorratsdatenspeicherung auf 12 Monate zu verhindern oder sie beispielsweise auf 2 Monate zu begrenzen: «Die Vorratsdatenspeicherung ist gänzlich abzuschaffen, da sie unnötig und ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre ist.»
Patrick Stählin (Piratenpartei) warnte davor, Gesetzestetexte auf Grund von diffusen Ängsten zu verfassen, die keine reale Grundlage haben.
Juso-Vize-Zentralsekretär Filippo Rivola warf dem Bundesrat Geschichtsvergessenheit vor und appelierte an die Mutterpartei: «Als Sozialdemokraten waren wir von der staatlichen willkürlichen Überwachung betroffen, es ist unsere Pflicht, uns gegen diese BÜPF-Revision zu wehren.»
Für Roxana Radu von der Internet Society Switzerland widerspricht der geplante Ausbau der Überwachung den Menschenrechten.
Ins gleiche Horn blies der grüne Nationalrat Daniel Vischer, der daran erinnerte, dass der Europäische Gerichtshof kürzlich eine entsprechende EU-Richtline wegen Grundrechts-Bedenken für ungültig erklärte.
Franz Grüter (SVP) betonte die Entschlossenheit aller beteiligter Organisationen, den Gesetzesentwurf per Referendumsabstimmung zu verhindern.
Die Organisatoren werten es als positiv, dass trotz schönstem Ausflugswetter so viele Personen mobilisiert werden konnten, und hoffen, dass dies der Beginn ist einer Bewegung, die die Aufmerksamkeit auf ein wichtiges Thema der Zukunft richtet: Die Verteidigung der freiheitlichen Grundrechte im Informationszeitalter.
Hier noch ein kleiner Auszug des Medienechos:
Ein wundervoller und kostbarer Videobeitrag der uns Alle daran errinert, dass wir Zusammen für unser Grundrecht auf Privatsphäre einstehen müssen! Teilt ihn bitte so oft Ihr könnt!
Der ehemalige NSA-Chef und Ex-CIA-Direktor Michael Hayden sagt freimütig:
Wir töten Menschen auf Grund von Metadaten.
Hier der vollständige Artikel von 20 Min: https://www.20min.ch/ausland/dossier/snowden/story/-Wir-toeten-auf-Grund-von-Metadaten–22883546
Frau Bundesrätin Simonetta Sommaruga und andere Befürworter der Überwachung sprechen in Ihren Botschaften geringschätzig von „nur Randdaten“, meinen aber dieselben Metadaten, welche alles über einen Menschen sagen, wie schon die Visualisierung von Balthasar Glättli gezeigt hat.
Die «Schweiz am Sonntag» berichtet über die breite Allianz der Jungparteien gegen das BÜPF und kommentiert:
Die Jungparteien machen Hoffnung. Auf eine Politik, die für einen massvollen Einsatz der digitalen Möglichkeiten einsteht; Hoffnung auch auf einen neuen, parteiübergreifenden Konsens zu Grundrechten und Privatsphäre. Ausgerechnet die Generation, der ein nachlässiger Umgang mit persönlichen Daten in den sozialen Medien nachgesagt wird, ermöglicht eine Abstimmung über die Fragen, die das Parlament nonchalant durchwinken wollte. Damit haben sie schon gewonnen: an Profil und Glaubwürdigkeit.
Im folgenden Infosperber-Artikel wir eingehend auf die Vorratsdatenspeicherung eingegangen:
https://www.infosperber.ch/Artikel/FreiheitRecht/Die-Schweiz-will-Datenspeicherung-sogar-verlangern
Nationalrat Balthasar Glättli ist gelungen, was bisher keiner vor ihm schaffte: Einblick in seine Vorratsdaten eines Schweizer Mobilfunkbetreibers zu erhalten. Diese wurden ausgewertet und visualisiert und beweisen, wie Metadaten das gesamte Leben eines Bürgers offenlegen.
Folgende Medien berichten darüber:
Watson.ch mit einem Interview mit Balthasar Glättli und vielen Hintergrund-Artikeln
Schweiz am Sonntag, 20min, news.ch, Blick.ch, NZZ, Zeit Online, futurezone.at, , heise.de, kurier.at,
Es ist beachtlich, dass in der Schweiz bisher nur Nationalrat Balthasar Glättli einige seiner Vorratsdaten erhalten hat. Alle weiteren Anfragen durch Privatpersonen wurden von den Firmen zurückgewiesen. Mehr Infos über die Anstrenungen findet man bei der Digitalen Gesellschaft.
Hier noch die Visualisierung von opendatacity: