Kritikpunkte
Der Schlussabstimmungsstext des BÜPF wird von vielen Parteien und Organisationen kritisiert. Hier erklären wir einige der wichtigsten Mängel:
Art. 2 Persönlicher Geltungsbereich
Aus diesem Gesetz ergeben sich Mitwirkungspflichten für …
c. Anbieterinnen von Diensten, die sich auf Fernmeldedienste stützen und eine Einweg- oder Mehrwegkommunikation ermöglichen (Anbieterinnen
abgeleiteter Kommunikationsdienste);
d. Betreiberinnen von internen Fernmeldenetzen;
e. Personen, die ihren Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz Dritten zur Verfügung stellen;
f. professionelle Wiederverkäuferinnen von Karten und ähnlichen Mitteln, die den Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz ermöglichen.
Kritik: Dieser Artikel bedeutet eine massive Ausweitung des Geltungsbereichs. Betroffen sind neu unzählige KMU, Hotels, Restaurants, Vereine, Bibliotheken und sogar die private WG oder der geteilte Internetzugang innerhalb der Familie.
Resultat: Die Forderungen zur Reduktion oder Streichung der Ausweitung des Geltungsbereichs wurden vom Parlament ignoriert. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 10 Akteneinsichtsrecht und Recht auf Auskunft über die Daten
…
3 Die von einer Überwachung betroffene Person kann ihre Rechte gegenüber der mit dem Verfahren befassten Behörde geltend machen oder, wenn keine Behörde mehr mit dem Verfahren befasst ist, gegenüber der letzten damit befassten Behörde. Der Dienst ist nicht zuständig für die Auskunftserteilung.
4 Der Bundesrat regelt, auf welche Art diese Rechte gewährt werden. Dabei garantiert er die Parteirechte insbesondere in den Fällen, in denen die Anfertigungvon Kopien der Akten unmöglich oder nur mit einem unverhältnismässigen Aufwand möglich ist.
Kritik: Der Dienst ÜPF verarbeitet Daten voll automatisiert und ist Inhaber einer Datensammlung. Somit sollte er gemäss DSG auch Auskünfte erteilen. Administrativ könnten durch die Zentralisierung die Prozesse vereinheitlicht und die Qualität der Auskünfte gesteigert werden. Der Dienst ÜPF muss die Daten sowieso so aufbewahren, dass beim Suchen kein unverhältnismässiger Aufwand entstehen kann.
Resultat: Die Forderungen wurden vom Parlament ignoriert. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 11 Aufbewahrungsfrist für die Daten
… Daten sind im Verarbeitungssystem so lange aufzubewahren, wie es für das verfolgte Ziel erforderlich ist, längstens aber 30 Jahre nach Abschluss der Überwachung.
Kritik: Die übliche Verjährungsfrist von 10 Jahren reicht für die Verfahrensführung komplett aus. Betroffene müssen über ihre Daten und Änderungen bei speicherort oder-art informiert werden. Noch besser wäre die unbedingte Löschung nach Verfahrensende.
Resultat: Die Forderungen wurden vom Parlament ignoriert. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 12 Sicherheit
1 Der Dienst ist für die Sicherheit des Verarbeitungssystems verantwortlich. …
Forderungen: Bei erkannten Sicherheitslücken ist Bundesrat und Öffentlichkeit zu informieren. Bei erheblichen Sicherheitslücken ist der Betrieb der betroffenen Anwendung bis zur Behebung der Sicherheitslücken auszusetzen. Die Einstufung und Behebung der Sicherheitslücke wird durch eine unabhängige Partei begutachtet.
Resultat: Der Verbesserungsvorschlag wurde durch Nationalrat zuerst genehmigt, anschliessend durch Ständerat wieder gestrichen und komplett aus dem Gesetz entfernt. Es wurden also keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 16 Allgemeine Aufgaben bei der Überwachung
…
k. Er führt eine Statistik über die Überwachungen.
Forderungen: Eine einfache Statistik reicht nicht aus, damit hat man nun einige Jahre Erfahrungen gesammelt. Es braucht ein unabängiges Qualitätsmanagementsystem und eine nach Deliktsart und Massnahmentyp aufgeschlüsselte Statistik sowie eine wissenschaftlich begleitete Wirksamkeitsanalyse. Ausserdem braucht es regelmässig eine Statistik über den Einsatz von besonderen Informatikprogrammen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach StPO 269ter inklusive Art, Dauer und Kosten, auch wenn solche Informatikprogramme von kantonalen Strafverfolgungsbehörden eingesetzt werden.
Resultat: Die Forderungen wurden vom Parlament ignoriert. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 22 Auskünfte zur Identifikation der Täterschaft bei Straftaten über das Internet
…
2 Der Bundesrat bestimmt, welche Angaben die Anbieterinnen von Fernmeldediensten zum Zweck der Identifikation während der Dauer der Kundenbeziehung sowie während 6 Monaten nach deren Beendigung aufbewahren und liefern müssen. Er legt fest, dass die Anbieterinnen von Fernmeldediensten bestimmte dieser Daten zum Zweck der Identifikation nur während 6 Monaten aufbewahren und liefern müssen. Die Anbieterinnen von Fernmeldediensten müssen dem Dienst weitergehende Angaben liefern, über die sie verfügen.
…
4 Der Bundesrat kann Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste, die Dienstleistungen von grosser wirtschaftlicher Bedeutung oder für eine grosse Benutzerschaft anbieten, verpflichten, alle oder einen Teil der Angaben aufzubewahren und zu liefern, welche die Anbieterinnen von Fernmeldediensten gestützt auf Absatz 2 liefern müssen.
Forderungen: Unzählige KMU, NGO, Vereine etc. sollten durch eine leicht angepasste Formulierung vor ausufernden Investitionen in Überwachungstechnik geschützt werden. Ausserdem ist der Deliktskatalog zu umfassend, dieser sollte eingeschränkt werden.
Resultat: Die Forderungen wurden vom Parlament ignoriert, teilweise wurden die Bestimmungen sogar verschärft.
Art. 25 Informationen über Dienstleistungen
Die Anbieterinnen von Fernmeldediensten informieren den Dienst auf dessen Verlangen jederzeit ausführlich über Art und Merkmale der Dienstleistungen, die sie auf den Markt gebracht haben oder innerhalb von 6 Monaten auf den Markt bringen wollen.
Forderung: Streichen von „.. oder innerhalb von 6 Monaten auf den Markt bringen wollen“, denn dieser Verrrat von Geschäftsgeheimnissen bedeutet einen gewaltigen Standortnachteil für Firmen in der Schweiz denn er ist innovationsfeindlich.
Resultat: Die Forderungen wurden vom Parlament ignoriert.
Art. 26 Pflichten der Anbieterinnen von Fernmeldediensten
1 Anbieterinnen von Fernmeldediensten liefern …
b. die Randdaten des Fernmeldeverkehrs der überwachten Person.
2 Sie müssen zudem: …
c. von ihnen angebrachte Verschlüsselungen entfernen.
…
Forderungen: Vollständige Streichung der Vorratsdatenspeicherung und diverse Abschwächungen der Mitwirkungspflicht um Anbieter vor den sehr hohen Überwachungsaufwänden zu schützen (SWICO publizierte hierzu eine Kostenanalyse). Alternativ wurde das „Quick-Freeze“-Verfahren empfohlen.
Abs 2c ist nicht praktikabel und deshalb zu löschen. Im Weiteren wurde zumindest eine Speicherung der Vorratsdaten in der Schweiz verlangt, da es hier um höchst sensible Informationen handelt.
Resultat: Alle diese Forderungen wurden vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 27 Pflichten der Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste
1 Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste müssen eine Überwachung … dulden. …
2 Sie müssen auf Verlangen die ihnen zur Verfügung stehenden Randdaten des Fernmeldeverkehrs der überwachten Person liefern.
3 Soweit für die Überwachung des Fernmeldeverkehrs notwendig, unterstellt der Bundesrat alle oder einen Teil der Anbieterinnen abgeleiteter Kommunikationsdienste, die Dienstleistungen von grosser wirtschaftlicher Bedeutung oder für eine grosse Benutzerschaft anbieten, allen oder einem Teil der in
Artikel 26 genannten Pflichten. Für die Anbieterinnen von Fernmeldediensten geltende Bestimmungen dieses Gesetzes sind diesfalls sinngemäss anwendbar.
Forderung: Bez. Vorratsdatenspeicherung siehe oben. Ausserden sollten Privatpersonen und nicht-kommerzielle Vereine, Hotels, Spitäler, Schulen, Bibliotheken,
Internet-Café, Restaurants, Hotels etc. ausgenommen werden, um die privat getragenen Überwachungskosten zu reduzieren und den Wirtschaftsstandort Schweiz zu schützen.
Resultat: Alle diese Forderungen wurden vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 28 Pflichten der Betreiberinnen von internen Fernmeldenetzen
Art. 29 Pflichten der Personen, die ihren Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz Dritten zur Verfügung stellen
Art. 30 Pflichten der professionellen Wiederverkäufer von Karten und ähnlichen Mitteln
Forderungen: analog oben.
Resultat: Alle diese Forderungen wurden vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 32 Auskunfts- und Überwachungsbereitschaft
1 Die Anbieterinnen von Fernmeldediensten müssen jederzeit in der Lage sein, gemäss dem anwendbaren Recht die Auskünfte nach den Artikeln 21 und 22 und die Informationen nach den Artikeln 24 und 26 Absatz 2 Buchstabe a zu erteilen und die von ihnen angebotenen Fernmeldedienste zu überwachen, wenn die
Auskunftserteilung beziehungsweise Überwachung standardisiert ist.
…
Forderungen: Reduktion auf normale Betriebszeiten, für Kleinunternehmen ist die 7×24-Erreichbarkeit exklusiv für den Dienst ÜPF ist unzumutbar und unverhältnismässig.
Resultat: Die Forderung wurde vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 33 Nachweis der Auskunfts- und Überwachungsbereitschaft
1 Auf Verlangen des Dienstes müssen die Anbieterinnen von Fernmeldediensten auf eigene Kosten nachweisen, dass sie in der Lage sind, gemäss dem anwendbaren Recht die standardisierten Auskünfte zu erteilen und die standardisierten Überwachungen durchzuführen.
…
4 Er erhebt von der Anbieterin von Fernmeldediensten eine Gebühr für den Überprüfungsaufwand. Der Bundesrat setzt die Gebühren fest.
Forderungen: Es geht nicht an, nach Belieben zusätzliche Nachweise zu verlangen und dann die Kosten der Anbieterin aufzubürden. Dies ist wirtschaftsfeinlich und gehört gestrichen oder umformuliert mit marktgerechter Entschädigung.
Resultat: Die Forderung wurde vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 41 Aufsicht
Forderungen: Neuen Absatz hinzufügen: Der Bundesrat sorgt dafür, dass die Tätigkeit des Dienstes auf Zweckmässigkeit und Wirksamkeit überprüft wird und erstattet regelmässig Bericht.
Resultat: Die Forderung wurde vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
Art. 42 Rechtsschutz
1 Verfügungen des Dienstes unterliegen der Beschwerde nach den allgemeinen Bestimmungen über die Bundesverwaltungsrechtspflege.
2 Mit Beschwerde gegen die Verfügungen des Dienstes kann nicht geltend gemacht werden, die Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachung seien nicht erfüllt.
3 Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung, ausser wenn die Verfügung eine Geldleistung betrifft. Die Beschwerdeinstanz kann der Beschwerde aufschiebende Wirkung verleihen.
Forderungen: Abs 2 ist zu streichen. Es muss möglich sein, gegen eine Anordnung des Dienstes Beschwerde zu führen. Dies geschieht nach dem die Überwachungsmassnahme abgeschlossen ist und behindert die Strafverfolgung keineswegs.
Resultat: Die Forderung wurde vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
StPO Art. 269 Abs. 1 Voraussetzungen für Überwachungsmassnahmen
Forderung: Der Deliktskatalog ist völlig übertrieben und muss gekürzt werden.
Resultat: Die Forderung wurde vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen. Hier der aktuelle Deliktskatalog zusammengestellt von Grundrechte.ch und eine Version der Digitalen Gesellschaft mit Erläuterungen.
StPO Art. 269 bis / ter Staatstrojaner
Die Problematik des Staatstrojaners wird in unzähligen Stellungnahmen ausführlich beschrieben, eine BÜPF-bezogene Analyse liegt z.B. von der Digitalen Gesellschaft vor.
Forderung: Kein Einsatz von besonderen Informatikprogrammen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs. Allenfalls diverse Einschränkungen und mehr Transparenz.
Resultat: Die Forderungen wurden vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.
StPO Art. 279 Mitteilungspflicht
Forderung: Alle von der Überwachung betroffenen Personen sollen im Nachhinein benachrichtigt werden. Eine detaillierte Umschreibung wurde von der Piratenpartei bereits in der Vernehmlassung eingebracht.
Resultat: Die Forderung wurde vom Parlament verworfen. Es wurden keine Verbesserungen vorgenommen.